Zu S. 151 M2 - Lösungsvorschlag
Grundsatz: Nicht nur Paraphrase, sondern begriffliche
Umsetzung.
Auch zwischen den Zeilen lesen (was der Verfasser bei
bestimmten Formulierungen wohl im Sinn gehabt hat)
I)
è vgl. Zeile 10-18!
Die traditionellen Herrschaftseliten (Adel, hohes Beamtentum) zwar zu
einem Kompromiss mit dem (v.a. Wirtschafts-)Bürgertum genötigt [gemeint: durch
allg. gleiches Wahlrecht und durch das Gewicht des daraus hervorgehenden
Reichstags],
blieben aber in ihrer Stellung doch weitgehend unangetastet – auch in den
Einzelstaaten, besonders Preußen mit seinem Dreiklassenwahlrecht,
auch dadurch, dass Heer u. Offizierskorps (seit jeher Domäne des Adels) unter
dem Schirm der kaiserlichen Kommandogewalt vor demokratischen Tendenzen
abgeschottet wurde.
Die Stellung wurde auch gesichert durch Heranrücken der bürgerlichen Oberschicht
(Creme des Wirtschaftsbürgertums) an den (fast durchweg)
großgrundbesitzenden
Adel,und zwar durch gemeinsames Interesse bezüglich Schutzzoll sowie gegen die
Sozialdemokratie.
Das Bürgertum auf wirtschaftlichen Bereich ‚abgelenkt’,
alle Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung,
freie Hand für Modernisierung. [der Verf. denkt hier wohl auch an Folgen der
Reichsgründung wie: Vereinheitlichung der Währung (Mark), der Maße u. Gewichte,
an freie Gründung von Aktiengesellschaften (keine staatliche Konzession mehr
notwendig), Reichspatentamt (Patentschutz) usw.]
II)
vgl. Z. 10-15, Z. 30-32.
Verfasser: Traditionelle Eliten unangetastet und demokratische Partizipation
abgeblockt:
Einerseits: Ja, vgl. kaiserliche Ernennungsbefugnis für alle
militärischen Führungsränge (höhere Offiziers, bes. Generalsränge) und höhere
Beamtenstellungen; vgl. auch: alle Reichskanzler u. hohen Reichsbeamten (z.B.
v.a. auch Diplomaten) adlig. Ähnlich in den Einzelstaaten.
Durch die Rolle militärischer Siege als Voraussetzung für die Reichseinigung
Militär generell enorm aufgewertet. Tendenz zur Geringschätzung des Zivilen
(vgl. Karikatur im Buch S. 108).
Die „demokratische Partizipation“ endete bei der Entscheidung über Gesetze und
Staatsbudget plus Steuern. Kein Aufstieg der nach dem progressivsten Wahlrecht
demokratisch gewählten Volksvertreter an die Schalthebel der Macht (wie in
parlamentarischen System).
Zur Beurteilung zu bedenken: Der nationale Einigungsprozess nach der
gescheiterten Revolution von 1848/49 doch nur mit den bestehenden Staaten und
ihrer Führungen (Fürsten plus adlige „Herrschaftseliten“ plus Militär) zu
machen, so dass sie zwangsläufig eine starke Verankerung in der Reichsverfassung
hatten.
Andererseits: durch Heranlassen der Wählermassen an den politischen
Prozess und deren Mobilisierung durch das gleiche Wahlrecht doch längerfristig
Gefährdung für die Stellung der ‚traditionellen Eliten’.
Möglichkeit der evolutionären Weiterentwicklung im demokratischen Sinn. [Der 1.
Weltkrieg blockierte diese potentielle Entwicklung, so dass das
Verfassungssystem von 1871 nach dem verlorenen Krieg in der ‚Revolution von
1918 , sein Ende fand.]
III)
Mittelstellung zwischen Westeuropa (v.a. England / Frankreich) und den
politischen Zuständen in Ost- u. Südosteuropa (vgl. das völlig verfassungslose
Russland);
insgesamt aber trotz allem eine der progressivsten Verfassungen damals.