Zu Text M 6 auf S. 157f (Gründe u. Ziele von Bismarcks Sozialgesetzgebung)

Frage

Bezug im Text

Beantwortungsvorschlag

I)

Z. 1, Z. 8

Vorsicht: Frage ist nicht, was die Soziale Frage war, sondern was B. mit der Bezugnahme meint:
Ab ca. 1830 (=Einsetzen der Industriellen Revolution in Deutschland) ist die Soziale Frage auf der Tagesordnung und wird es auch noch lange bleiben.
Er erkennt sie also als echtes Problem in ihrer Tragweite
und macht indirekt, so klingt es jedenfalls [zwischen den Zeilen], dem Staat den Vorwurf, dass er sich nicht früher dieses Problems angenommen hat und stellt fest, dass konkrete Schritte zur Lösung längst überfällig sind.

II)

Z. 13/14,
Z. 24

Er folgert, dass es unerlässlich ist, gesetzgeberisch einzugreifen und auch staatliche Leistungen zu erwägen .
Und dies nicht nur aus vordergründiger taktischer Berechnung (13/14), sondern aus sachlicher Einsicht in die Ernsthaftigkeit des Problems.
Allerdings auch aus der Einsicht heraus, dass man den (von ihm vermeintlich als staatsfeindlich und umstürzlerisch  interpretierten Sozialismus der Sozialdemokraten [den er im Sozialistengesetz von 1878 repressiv zu stoppen suchte] und (Z.5) eine Radikalisierung der Arbeiterbewegung und damit eventuell die Gefahr einer Revolution nur durch ein positives Aufgreifen (Z.4) der berechtigten Forderungen verhindern kann. [Dieser Aspekt könnte allerdings auch bei Frage III gebracht werden.]

III)

Z. 17-22)

Der Schutz der sozial Schwachen ist für ihn eine Aufgabe des Staates, zumal einer sich als „landesväterlich“ verstehenden Monarchie.
Zwischen den Zeilen greifbar, dass dies für ihn auch ein ethisches (christliches, Bism. war stark vom pietistischen Christentum beeinflusst) Motiv ist. Er weiß offensichtlich, dass sich der einzelne Arbeiter gegenüber der Macht der Unternehmer nicht aus eigener Kraft behaupten kann und lehnt damit den gnadenlosen ’Sozialdarwinismus’ der  Manchesterliberalen („wer nicht stark genug ist... wird zu Boden getreten“) ab.

Glaubt offensichtlich, dass hier Nichthandeln des Staates+) dem sozialen Frieden schadet und die Arbeiter in die Arme des revolutionären Sozialismus treibt. Dies ist wiederum ein mehr taktisches Motiv.
Also Doppelmotivation: (A) genuin ethisches Motiv  (Z.17ff)
und B  taktisches Motiv (in Zeile 4/5 greifbar, wenn auch nicht sehr deutlich): Der Sozialdemokratie den Wind aus Segeln zu nehmen und die Arbeiter für den monarchischen Staat zu gewinnen.
[Fußnote (nicht aus dem Text entnehmbar und natürlich nicht bei der Bearbeitung zu erwarten): Diese Rechnung ging nicht auf, da das 1878-1890 bestehende Sozialistengesetz durch seine Unterdrückungsmaßnahmen eher einen Solidarisierungseffekt – die Arbeiter mit ‚ihrer’ Partei, der Sozialdemokratie – bewirkte, was sich auch an den Wahlergebnissen ablesen lässt.]

IV)

Z. 23 – 35

Finanzierung wegen des geringen Lohnniveaus nicht den Arbeitern zumutbar. Gefordert primär die Industrie/die Unternehmer – entweder direkt durch Übernahme der Beiträge oder indirekt durch Erhöhung der Löhne für den Fall, dass die Arbeiter die Beiträge zahlen müssten.
Er zieht auch Staatszuschüsse in Erwägung (Z.24), vielleicht für die Industriezweige, für welche die Belastung zu groß wäre (d.h. eventuell die Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen würde <vgl. Z. 27>).

 


+
) man könnte auch sagen: die Beschränkung des Staates auf – wie es die Liberalen wünschten – eine reine „Nachtwächterrolle“ (= Schutz des Privateigentums und Schutz vor Kriminalität, ansonsten im wirtschaftlich-sozialen Bereich alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen).