Bei dem Text von Oswald Spengler (M1, s. 248f) fiel uns auf:
Einerseits Spengler als hochkarätiger Geschichtsphilosoph mit dem "Untergang des
Abendlandes" (1918) Verfasser eines damals ungeheuer einflussreichen Kultbuches
(auch von liberal-demokratischen und sogar sozialistischen Autoren als bedeutend
gewürdigt).
Andererseits sitzt er in der hier in M1 zugrundeliegenden Schrift von 1924 in
völlig unkritischer, ja plumper Weise der Dolchstoßlegende auf (Z. 4 - 8); die
Jahreszahl 1917 (Z.5) meint sicher die damalige Friedensresolution des Deutschen
Reichstags (mit der sich die aus SPD, Zentrum und Linksliberalen [=die spätere
Weimarer Koalition] bestehende Reichstagsmehrheit von Annexionszielen und
Siegfriedenillusion distanziert und einen Verständigungsfrieden ohne erzwungene
Annexionen als Ziel proklamiert). Er spricht diesen politischen Kräften in
diffamierender Weise jedes patriotische Motiv ab, bezichtigt sie der
Komplizenschaft mit der Entente, also praktisch des Hochverrats [Z. 7f], ja
sogar der freudigen Genugtuung über die Niederlage und den harten Frieden von
Versailles [Z. 24-28].
Ferner streitet er in Zeile 10/11 der Ebert-SPD in ihrer Auseinandersetzung mit
Spartakus und USPD (vgl. Handout 27!) jedes demokratische Motiv ab und sieht nur
schäbigen Parteiegoismus ('Streit um den Beuteanteil', Ministersessel,
Selbstbereicherung etc.) am Werk - eine diffamierende Verzeichnung, die den
Politikern der damals einen demokratischen Neuanfang für Deutschland
versuchenden Kräfte - etwa Ebert, Rathenau, Stresemann - in keiner Weise gerecht
wird.
Spengler distanzierte sich zwar vom Antisemitismus und der Primitivität der
NS-Bewegung und sah den idealen politischen Führer eher in dem faschistischen
Diktator Italiens, Mussolini:
Aber er trug durch seine politischen Stellungnahmen wie in M1 sicherlich zu
einem republikfeindlichen geistigen Klima bei.
Er steht hier als Beispiel für eine Vielzahl von Rechts-Intellektuellen, die die
Glaubwürdigkeit der Weimarer Republik diskreditierten, die Parteiendemokratie
als westlichen Import zur Dauer-Schwächung Deutschlands betrachteten und so zum Scheitern
der WR beitrugen.